Geister, die begeistern, erschuf uns die im Schwarzwald lebende Schriftstellerin Haike Hausdorf Ende letzten Jahres mit ihrem Roman "Die Geister der Weihnacht gehen in Rente". Den traditionellen Weihnachtsgeistern aus dem Klassiker "Eine Weihnachtsgeschichte" von Charles Dickens schickt sie gleich zehn muntere Azubi-Geister vorbei. Redakteurin Claudia Diana Gerlach führte ein Interview mit der Autorin über das Leben im Allgemeinen und die neue Geisterschar im Besonderen. Den Link zur Buchpräsentation bei uns gibt es am Ende des Interviews.
Liebe Haike, Du hast uns viele neue Weihnachts-Geister erschaffen; dabei ist einer origineller als der andere! Hast Du einen oder mehrere spezielle/n Lieblingsgeist/er? Und wenn ja, welche/n?
Vielen Dank für das Kompliment und für die Möglichkeit dieses Interviews sowie die vorangegangene Buchvorstellung bei Lesering.de. Neben den drei Geistern der Weihnacht von Charles Dickens, die ich leicht gealtert übernommen habe und den klassischen britischen Geistern, meist prominenten Opfern von Politik und Intrigen, die im Tower beheimatet sein sollen, habe ich für den Roman dreizehn eigene Geister zum Leben erweckt. Zehn von ihnen bewerben sich um die Nachfolge der Weihnachtsgeister, die übrigen drei kommen im Laufe der Geschichte dazu. Außerdem gibt es gegen Ende des Buches eine Reihe von Geisterkomparsen, die meiner Fantasie entsprungen sind.
Natürlich liebe ich sie alle, aber einige sind mir mit der Zeit etwas mehr ans Herz gewachsen als andere. Dazu zählen auf jeden Fall der gemütliche, dauermüde Tardy und der unbeholfene Trouble. Aber auch die ständig auf Krawall gebürstete Stubborn hat mir sehr viel Spaß bereitet, weil sie als in Flammen stehendes Skelett Bewegung und Humor in die Geschichte bringt. Außerdem mag ich den hochintelligenten, aber dauermuffeligen Grumble und den Flaschengeist. Im Grunde schätze ich sie alle, denn jeder Charakter entwickelt die Geschichte auf seine besondere Art weiter.
2. Wann und wie sind Dir denn diese neuen Weihnachtsgeister erstmals erschienen? (Oder langweiliger formuliert: Wie kamst Du auf die Idee zu diesem Roman?😉)
Die grobe Idee zum Roman hatte ich schon vor Jahren. Damals fragte ich mich, wie die Arbeit von Charles Dickens Geistern wohl in der heutigen Zeit aussähe und ich kam zu dem Schluss, dass sie sicher nicht bis in alle Ewigkeiten schwierige Menschen bekehren wollen würden. Also stellte ich mir vor, sie würden ihre Stellen ausschreiben und würdige Nachfolger suchen, was mitunter schwierig werden könnte.
Meine eigenen Geister habe ich allerdings erst entwickelt, nachdem meine Agentin im November 2019 anfragte, ob ich Lust hätte, einen skurrilen Funtasy-Roman für eine neue Buchreihe zu schreiben. Sie bat um eine grobe Übersicht über Inhalt und Charaktere, weshalb ich mich an den PC setzte und überlegte, wie viele Bewerber es sein sollten und wie sie heißen könnten. Erschienen sind sie mir (leider) nicht. Sie wurden auf dem Reißbrett und mit ein bisschen Unterstützung meines Mannes entwickelt.
Sehr schnell stand mein Entschluss fest, ihnen englische Adjektive als Namen zu verpassen, die ihren Charakter widerspiegelten. Neun der zehn ursprünglichen Protagonisten sind geblieben, nur einer wurde ersetzt: Im ersten Entwurf hatte der chaotische Trouble eine Art Zwilling namens Jumble, was ‚Durcheinander‘ bedeutet, aber dann änderte ich den Namen in Proud und schuf den stolzen, adeligen Schotten, der aus persönlichen Gründen sein Gesicht nicht zeigen möchte.
Die drei übrigen Geister-Neben-Protagonisten haben sich im Laufe des Schreibvorgangs in die Geschichte hineingemogelt. Die gesamte Handlung hat sich erst nach und nach entwickelt und daran haben die Charaktere kräftig mitgewirkt. Ich hatte zunächst nur die Idee, den Titel und den Klappentext sowie einen ganz groben Plan, wohin der Weg führen sollte.
3. Mit Deinem Geister-Roman gewinnst Du laufend neue Leser! Wie möchtest Du Dich Ihnen vorstellen?
Mein Name ist Haike Hausdorf, ich bin 47 Jahre alt, seit über zwanzig Jahren glücklich verheiratet und habe drei Kinder. Mit Tardy teile ich den Hang zum Gemütlichen. Auch ich bin ungern im Nasskalten und Dunklen unterwegs. Genau wie Funny nehme ich nicht alles allzu ernst. Früher war ich ziemlich schüchtern. Diese Eigenschaft teile ich mit dem Geistermädchen Shy. Ich bemühe mich, hilfsbereit zu sein wie Aid und Pleasant, bin manchmal ein bisschen besserwisserisch wie Grumble und definitiv oft genauso ungeschickt wie Trouble. Glücklicherweise zerlege ich mich nicht, sondern es bleibt bei kleineren Blessuren. Und ich kann sehr dickköpfig sein: so wie Stubborn. Auch wenn ich nicht in Rauch und Flammen aufgehe …
Wer mehr wissen möchte: Infos über meine Geschichten und mich sind auf meiner Autorenwebsite www.haikehausdorf.de sowie in den sozialen Medien zu finden: www.facebook.com/HaikeHausdorfAutorin/ oder www.instagram.com/haikehausdorf/
4. Woher kamen die vielen Ideen und Infos zu Deinen diversen Geistern, etwa zu dem schottischen Highland-Geist namens Pleasant? Und wie lange hast Du diese "Geisterstudien" betrieben?
Das Konzept des Buches mit den Geisternamen entwickelte ich innerhalb weniger Tage im November 2019. Geschrieben habe ich den Roman zwischen Dezember 2019 und Ende März 2020. Da die gesamte Geschichte in London spielt, sollten die Geister zur Umgebung passen. So erfand ich den lustigen Iren Funny, den etwas überheblichen Schotten Proud und ein paar Londoner wie z.B. Tardy. Dann waren allerdings noch Namen übrig, die völlig körperlos durch den Entwurf geisterten.
Die Recherche im Internet fand parallel statt. Um eine größere Vielfalt an Aussehen und Charakter zu bekommen, ging ich gezielt auf die Suche nach klassischen Geister-Gestalten aus Großbritannien und stieß so auf die Urisken, schottische Highland-Geister, die halb Ziege halb Mensch sein sollen und als sehr menschenfreundliche Wesen dargestellt werden. Das passte zu meinem weiblichen Geist namens Pleasant, was ‚hilfsbereit‘ bedeutet und so wurde sie zu einer Uriskin. Der kopflose Mönch Aid orientiert sich optisch ein wenig an der Figur des Bruder Tuck aus Robin Hood: Rund, gemütlich und immer für die anderen da.
Das widerborstige Geistermädchen Stubborn habe ich gemeinsam mit meinem Mann entwickelt. Sie war zunächst nur ein Skelett mit zerschnittenen Hosen, pinkem Irokesenschnitt und feministischen Tendenzen. Mein konstruktiver Erstleser und Kritiker bestand jedoch bereits im ersten Kapitel darauf, Stubborns Temperament mehr hervorzuheben. Sie war einfach zu brav. Nun zieht sie resolut und kompromisslos durchs nächtliche London und schockt Schwerbelehrbare mit ihrem rauchenden Schädel und den aus dem Brustkorb schießenden Flammen. Selbst die drei Alt-Geister haben anfänglich große Probleme, Stubborn in den Griff zu bekommen.
5. Dein Roman läuft unter dem Begriff „Funtasy“ - woher kommt dieser Name?
Dieser Begriff stammt von meiner Agentin Alisha Bionda. Sie hat das Genre „Funtasy“ für eine neue Buchreihe des Ashera Verlags kreiert und „Die Geister der Weihnacht gehen in Rente“ haben die große Ehre, diese Reihe zu eröffnen. Sie spuken sozusagen als Pioniere durch dieses neue Genre der humorvollen Phantastik.
6. „Die Geister der Weihnacht gehen in Rente“ klingt erst einmal nach einer Weihnachtsgeschichte. Doch ich finde Deinen Roman zeitlos, da er vordergründig die Aktivitäten und Charakterwandlungen Deiner zehn Hauptfiguren beschreibt - zusätzlich zu den Beschreibungen der geisterlichen Lebensumstände! Wie siehst Du Deine Geschichte: Weihnachtsstory oder Dauerbrenner?
Es wäre schön, wenn mein Roman beides sein könnte: Eine moderne Weihnachtsgeschichte und ein Dauerbrenner. Der Titel deutet auf den ersten Blick natürlich auf eine Weihnachtsgeschichte hin, obwohl er im Grunde nur aussagt, von wem die Geschichte handelt: Von den weltbekannten Geistern der Weihnacht von Charles Dickens, die nach vielen hundert Jahren ihre Aufgabe an den Nagel hängen und in Rente gehen möchten. Theoretisch hätten sie das auch im Sommer tun können. Es bleibt ihr Geheimnis, weshalb die drei erst so kurz vor dem Fest der Liebe auf die Idee kommen, ihre Stellen im nasskalten, nächtlichen London auszuschreiben. Der gesamte Bewerber-Prozess, das Geist-der-Weihnacht-Training und die probeweise Einarbeitung finden somit zwar in den letzten beiden Wochen vor Weihnachten statt, haben aber zunächst keinen direkten Bezug dazu, denn die Kandidaten präsentieren uns sehr menschliche Defizite und ständige Querelen untereinander.
Die zu bekehrenden Sterblichen sorgen zusätzlich für sehr weltliche Probleme: Da gibt es den ausbeuterischen Arbeitgeber, den Vater, der seine minderjährige Tochter zu einer Abtreibung zwingen will, den cholerischen Premierminister und den ewig fremdgehenden Schwerenöter. Keine besonders weihnachtlichen Themen.
Die Aufgabe der drei Alt-Geister, aus einem chaotischen Haufen von Jung-Geistern eine halbwegs homogene, einsatzfähige Mannschaft zu formen, die mindestens drei fähige Nachfolger hervorbringt, konfrontiert alle Beteiligten mit der Notwendigkeit, sich mit Themen wie Inklusion, Rücksichtnahme, Teamgeist, aber auch Integration und Hilfsbereitschaft auseinanderzusetzen. Außerdem wird der Geist der vergangenen Weihnachten gezwungen, seine konservative Einstellung bezüglich arbeitender (Geister-)Frauen zu überdenken.
Natürlich ist es Absicht, dass immer wieder der Geist der Weihnacht durch die Geschichte weht und die Geister auf ihrem holprigen Ausbildungsweg einem Happyend entgegenrumpeln. Aber viele Leser und Blogger haben mir – so wie Du – bestätigt, dass man „Die Geister der Weihnacht gehen in Rente“ auch zu jeder anderen Jahreszeit lesen und sich amüsieren und zum Nachdenken anregen lassen kann. Deshalb würde es mich sehr freuen, wenn meine Geister auch in den kommenden Monaten beGEISTerte Leserinnen und Leser fänden.
7. Ist eine Fortsetzung geplant? Oder gibt es andere, neue Buchprojekte?
Nach einer Fortsetzung wurde ich schon mehrfach gefragt. Für mich ist der Roman „Die Geister der Weihnacht gehen in Rente“ eine runde Sache und abgeschlossen. Ich denke, auch der Verlag betrachtet das Buch als Einzelband. Ich würde es nicht gänzlich ausschließen, aber geplant ist eine Fortsetzung momentan nicht. Im neuen Jahr nehme ich mehrere Projekte in Angriff: Zum einen schreibe ich ein Exposé für einen größeren Verlag. Ob es Zuspruch findet, werde ich aber erst in einigen Wochen oder Monaten wissen.
Des Weiteren habe ich 2019 ein Manuskript für einen Familiengeheimnisroman unterbrochen, um die Geister termingerecht fertigstellen zu können. Und ich plane, einen Ausflug in den Bereich Krimi, Detektivgeschichte oder Cosy Crime zu unternehmen. Außerdem gibt es in meiner digitalen Schublade ein paar unveröffentlichte Kinderbuchmanuskripte, denen ich gerne auf die Sprünge helfen würde, aber das kostet Zeit, die ich momentan nicht habe. Ideen habe ich genug …
Liebe Haike Hausdorf, wir bedanken uns ganz herzlich für dieses Interview!
Rezension zum Buch: Haike Hausdorf - "Die Geister der Weihnacht gehen in Rente"