Das Lächeln am Rand der WeltDer Weg ins andere Ich

In dem Roman "Das Lächeln am Rand der Welt" des Münchner Autors Knud Hammerschmidt geht es um drei Pilger auf dem Jakobsweg.

In dem Roman "Das Lächeln am Rand der Welt" des Münchner Autors Knud Hammerschmidt geht es um drei Pilger auf dem Jakobsweg.

Foto: Claudia Diana Gerlach

Roman

Was haben eine lebenserfahrene Nonne, ein Pastor voller Zweifel und eine frisch geschiedene Frau gemeinsam? Den Weg unter ihren Füßen, das weitverzweigte Wegenetz des Jakobsweges. Die drei völlig unterschiedlichen Pilger sind die Hauptfiguren in dem neu erschienenen Camino-Roman „Das Lächeln am Rand der Welt – Eine Camino Rhapsodie“ des Münchner Autors und Pilgerratgebers Knud Hammerschmidt.

Die drei Protagonisten beginnen ihre Wanderungen an ganz verschiedenen Stellen des großen europäischen Geflechts der Jakobswege. Und im Falle dieser Wege heißt es nicht „Alle Wege führen nach Rom“, sondern alle Wege führen in die nordspanische Stadt Santiago de Compostela. Und wie es in einem spanischen Sprichwort so schön formuliert wird „Der Jakobsweg beginnt im eigenen Haus“ (spanisch: „El camino comienza en su casa“), so startet jeder seine Reise nach Santiago aus ganz persönlichen Gründen.

 

Der Zweifler und die Nonne

Pastor Vinzenz ist einer dieser Protagonisten: ein freundlicher, ruhiger Zeitgenosse, dem beim Pilgern nach Santiago schlagartig sein Glaube abhandenkommt. Das stellt den Sinn seines ganzen bisherigen Lebens radikal in Frage, das er vollkommen in den Dienst der Kirche gestellt hatte. Bei einer Rast trifft er eine Freundin aus Jugendzeiten wieder, die durch Facebook über seine Wanderstrecke exakt informiert ist und ihn nach vielen Jahren unbedingt wiedersehen möchte. Alte Gefühle flammen bei dieser Begegnung wieder auf, doch da Pastor Vinzenz seine Berufung infrage stellt, haben sich die Rahmenbedingungen für die Beiden geändert. Pastor Vinzenz und seine Jugendfreundin verabreden ein erneutes Treffen in Santiago de Compostela, dann packt der Pastor wieder seinen Rucksack, nimmt den Wanderstab zur Hand und pilgert allein weiter.

Ganz andere Gründe zur Pilgertour bewegen die lebenslustige, stets hilfsbereite Nonne Miriam: Sie plant ihr Leben im Ruhestand und durchlebt, eingebettet in eine Gruppe anderer Pilger, nochmals die Stationen ihres bisherigen Lebens. So erfahren ihre jungen Reisegenossen von ihrer schweren Kindheit, denn Miriam verlor während des Zweiten Weltkrieges ihre Mutter und Schwester im KZ Auschwitz. Miriam erzählt ihrem Pilgertrupp von ihrem Lernen in einer Klosterschule und berichtet von den vielen Ländern, die sie im Laufe ihres Lebens besucht hat.

Bereit für Neues!

Die dritte Hauptfigur, eine frisch geschiedene Frau namens Mercedes, versucht beim Pilgern auf dem Jakobsweg mit ihrem bisherigen Leben in Frieden abzuschließen, um bereit zu sein für Neues. Sie freundet sich mit einer jungen Südkoreanerin an, die ebenfalls allein unterwegs ist. Zwischen den beiden Frauen entwickelt sich bald eine enge Freundschaft; die Wegstrecke wird für einen entspannten Gedankenaustausch genutzt.

Autor Knud Hammerschmidt lädt dazu ein, die Wanderungen seiner Hauptfiguren ausgiebig mitzuerleben, er schildert einfühlsam Einzelschicksale und lässt die Wege seiner Romanfiguren sich kreuzen und wieder auseinanderlaufen, bis schließlich alle am Ziel ihrer Pfade ankommen.

Der Leser erlebt die Pilgertouren durch malerische Schilderungen der Landschaften, der Städte und Herbergen. Alles wird so detailliert vorgetragen, dass man die Wanderungen wie in einem Kinofilm miterleben kann.

Unkonventionelle Charaktere

Knud Hammerschmidt beweist sich als Kenner der Materie und lässt eine Vielzahl an Informationen in das Romangeschehen mit einfließen. So werden von ihm historische Aspekte des Pilgerweges, die Entwicklung der Herbergskultur, aber auch die neusten Nachrichten hinsichtlich der Wegstrecke überall mit eingestreut. Interessant ist auch die wissenschaftliche Gesamtgestaltung des Buches, mit vielen Anmerkungen und Fußnoten, in denen es Übersetzungen sowohl von spanischen Unterhaltungen als auch von englischen Songtexten gibt - zusätzlich zu Begriffserklärungen und Quellenhinweisen.

Nach drei Camino-Guides lässt Knud Hammerschmidt in seinen Roman zum Jakobsweg – wie es auf dem Covertext des Buches heißt – seine Pilger Antworten auf Fragen erhalten, die sie nie gestellt haben. Ein Buch, das Interesse und bei vielen Begeisterung wecken wird, mit modernen, unkonventionellen Hauptfiguren, die mitten im Leben stehen: So genießt etwa die Nonne Miriam lächelnd ihren Spliff, und die Wandersfrau Mercedes setzt sich ganz locker mit dem Thema Pansexualität auseinander.

Zieh die Wanderschuhe an!

Im Mittelteil dieses Romans hätte ich gerne noch ein wenig mehr erfahren von den Gedanken, den Zweifeln und Hoffnungen der Protagonisten nach den Änderungen ihrer Lebenspläne. Aber ich bin den Jakobsweg – ganz im Gegensatz zu dem Autor – auch noch nie gewandert und ich wünsche es allen Pilgern, dass das Gedankenkarussell im Kopf durch das Wandern zum Stillstand kommt und der Blick für die Gegenwart - in Form von Landschaft, Städten und Mahlzeiten - geschärft wird. Eine Bekannte, die im Sommer erstmals nach Santiago de Compostela pilgerte, ist hellauf begeistert und fühlt sich an ihre eigenen Erfahrungen erinnert.

Fazit: Ein lebensfroher, spannender, mit Humor geschriebener Roman, der jeden Leser dazu verlockt, die Wanderschuhe anzuziehen und sich dem Pilgerstrom auf dem berühmten Jakobsweg anzuschließen!

Der Autor

Der in München lebende Knud Hammerschmidt, Jahrgang 1963, ist ein richtiger Jakobsweg-Experte, der dort mehrfach selbst auf unterschiedlichen Routen unterwegs war, und dem europäischen Pilger-Weg-Geflecht bereits drei Bücher gewidmet hat. Als Admin mehrerer Facebook-Gruppen berät er seit 2012 Pilger und solche, die es werden wollen. Seine Erfahrungen fasste er in drei Pilgerratgebern zusammen: dem 2012 erschienenen „Ohne Schmerz kein Halleluja“ sowie dem englischsprachigen Guide „Dude looks like a pilgrim“ (2015). Zusätzlich erschien gerade seine kurz gefasste „Gebrauchsanweisung für den Jakobsweg“. „Das Lächeln am Rand der Welt“ ist sein erster Roman.

Wie kam Knud Hammerschmidt auf die Idee zu seinem Roman? „Die Überlegung war, gute Geschichten zu erzählen, den Weg als heimlichen Hauptdarsteller zu haben und die diversen Motive, Hintergründe und Wünsche von Pilgern literarisch zu erfassen“, verriet uns der Münchner.

Knud Hammerschmidt, Das Lächeln am Rand der Welt: Eine Camino Rhapsodie, erschienen 2020 bei TWENTYSIX, 300 Seiten, 12,99 Euro (als Taschenbuch)

Eine Spende von 1 Euro pro Buch schenkt Knud Hammerschmidt der Obdachlosen-Hilfe von St. Benedikt in München.

 

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