In dem alten Haus mit den vielen leeren Zimmern gibt es einen Raum, der ständig abgeschlossen ist. Natürlich interessiert sich die fünfzehnjährige Ludmilla genau für dieses eine Zimmer und mopst ihrer Großmutter den Schlüssel, um sich dort in einem unbeobachteten Moment in aller Ruhe umzusehen. In Annina Safrans Fantasy-Roman „Der Spiegelwächter – Die Saga von Eldrid“ findet das junge Mädchen einen abgedeckten Spiegel, der sie in eine andere Welt locken will.
Ludmilla Scathan lebt bei ihrer Großmutter Mina, da ihre Eltern beruflich so eingespannt sind, dass sie für ihr einziges Kind überhaupt keine Zeit haben. Leseratte Ludmilla kommt mit ihrem etwas eintönigen Leben gut zurecht, doch natürlich ist ihre Neugierde sofort geweckt, als plötzlich ein geheimnisvolles goldenes Licht aus der sonst immer sorgfältig verschlossenen Stube dringt. Heimlich schleicht Ludmilla in das Geheimzimmer und entdeckt einen großen, wunderschön verzierten Spiegel, der zu leuchten beginnt und ihren Namen ruft. Der Spiegel ist das Tor zu einer geheimnisvollen fremden Welt namens Eldrid, der Welt des Lichtes.
Die Mini-Fee mit der Dröhnstimme
Große und winzige Wesen mit Zauberkräften sind hier unterwegs. Ludmilla begegnet der zarten Mini-Fee Pixi mit der mächtigen Stimme, wird aber auch von riesigen, biestigen Berggeistern verfolgt. Der alte Spiegel im Haus der Großmutter ist eines von fünf Portalen, die die Welt der Menschen mit der Welt von Eldrid verbinden. Jeder dieser magischen fünf Spiegel hat einen eigenen Spiegelwärter, der über den Zugang wacht.
Ludmilla wurde von Uri, dem Spiegelwächter des Scathan-Portals, nach Eldrid gerufen, denn die magische Welt befindet sich in einer Notsituation. In dem einst so friedlichem Land hat sich eine böse Macht entwickelt, die für ewige Dunkelheit in dem Land des goldenen Lichtes sorgen will. Doch für die magischen Wesen ist das Licht ihr Lebenselixier. Uri braucht die Hilfe von Ludmilla, um dem Bösen in seiner Welt den Kampf anzusagen.
Die Schattendiebe
Ihr Gegner ist ein abtrünniger Spiegelwärter namens Zamir, der Ludmillas Großmutter und deren Schwester einst dazu verführte, den magischen Wesen ihre Schatten zu entwenden, denn diese Schatten teilen die Macht ihrer magischen Besitzer. Durch alte Zaubersprüche lernten die beiden Scathan-Schwestern, die Magie der fremden Schatten zu ihrer eigenen zu machen. Zamir schickte die erbeuteten Schatten an den Himmel, wo sie für immer weniger Lichtzufuhr in Eldrid sorgten. Die Schwestern waren wie berauscht von ihren neuen magischen Fähigkeiten und trieben sorglos ihr Unwesen. Dann gelangte Mina in den Besitz einer Super-Kraft, die Zamir unbedingt für sich selbst wollte: Daher raubte er Mina ihren Schatten, die daraufhin ohne Ihre Schwester als schattenloser Mensch zurück in ihre eigene Welt flüchtete und sich seither in ihrem eigenen Haus versteckt.
Der böse Schatten der Großmutter
Doch Zamir ließ Minas mächtigem Schatten einen Teil seiner magischen Mächte. Der Schatten von Minas Großmutter trieb seine schändlichen Raubzüge munter weiter und ist inzwischen mächtiger als sein einstiger Meister Zamir geworden. Uri bittet Ludmilla, sich mit dem teuflisch bösen Schatten ihrer eigenen Großmutter anzulegen.
Da Ludmilla als Mensch ohne Superkräfte den anderen Bewohnern Eldrids gegenüber benachteiligt ist, verleiht ihr Uri eine starke magische Macht. Doch damit ist Ludmilla nun von größtem Interesse für Zamir, der eilig seine Verbündeten um sich schart, um sich diese neue Kraft anzueignen. Uri ruft derweil seine Gefährten zu sich, um Eldrid zu verteidigen, doch ihre Gegner haben den Kampf längst begonnen…
Das schmollende Spiegelbild
Annina Safrans Fantasyserie entführt die Leser in eine originelle magische Welt mit ganz eigenen Regeln und Gesetzmäßigkeiten. Der Kontakt zu dieser Phantasiewelt verändert auch die reale Welt des Romans. So kämpft die Enkelin in der magischen Welt gegen den skrupellosen Schatten der eigenen Großmutter, während diese daheim unter den Schmoll-Attacken des zurückgebliebenen Spiegelbilds ihrer Enkeltochter leidet (das Spiegelbild darf nicht mit durch das Spiegelportal!).🙃
Mit der jungen Heldin Ludmilla hat die Autorin eine starke Romanfigur mit sympathischen und unsympathischen Charakterzügen erschaffen, die je nach Anlass und Laune mutig, neugierig, warmherzig oder vorlaut agieren darf, und so ihre Leser*innen die Reaktionen auf ihr unterschiedliches Verhalten miterleben lässt.
Spannender Serienauftakt
Ein sehr gelungener und immens spannender Auftakt zu einer Fantasy-Serie, die vor Kreativität und Originalität geradezu golden funkelt. Eine immense Ideenvielfalt, ein gradliniger Erzählstil und ein ständig ansteigende Spannungsbogen sind weitere Charakteristika dieses Romans. Wäre ich zehn Jahre jung, würde ich mich freiwillig in einem Raum einschließen, um mich durch die Geschichte ohne Unterbrechung „durchzusuchten.“
Die Autorin
Die 1974 geborene Annina Safran lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Frankfurt am Main. Nach einem mit der Promotion abgeschlossenen Jurastudium arbeitete sie viele Jahre lang in einer Großkanzlei für Wirtschaftsrecht. Kurz nach der Geburt ihres ersten Kindes kam ihr die Idee zu ihrer Fantasysaga über das magische Land Eldrid, die sie als fünfbändige Serie konzipiert hat. Teil 2 „Die Suche nach dem Schattendorf“ ist bereits erschienen und Teil 3 „Im Land der Nuria“ ist gerade frisch veröffentlicht worden. 😊
Annina Safran: Der Spiegelwächter – Die Saga von Eldrid, erschienen 2020, Herausgeber: Autorin/Nova MD, empfohlen von 10 bis 14 Jahren, 292 Seiten, 10,99 Euro (Taschenbuch)